DSC06009Es gibt einen äusserlichen Gehorsam und einen Gehorsam, der ähnlich dem im Himmel ist - zwischen den Engeln und der Heiligen Dreifaltigkeit. Es ist der Gehorsam, bei dem es zur Einigung des Willens kommt. Ein Engel stellt der Heiligen Dreifaltigkeit keine Fragen. Das Einzige, was ein Engel tut, ist ein vollkommenes Verweilen in ihr. 

Dieser Gehorsam war auch in der Jungfrau Maria. Als sie in dem Augenblick der Verkündigung den Engel fragt: "Wie soll es passieren?", aus dieser Frage geht die Bereitschaft hervor, alles zu tun, was Gott sagt und was er sich wünscht. In dieser Frage gibt es keine Zweifel, obwohl sie nicht weiss, wass passiert und wie es passiert. Das ist der Gehorsam der Freude. Das ist der Gehorsam der Liebe. Dieser Gehorsam resultiert aus dem Anblick der Liebe, aus der ununterbrochenen Betrachtung der Liebe. Aus der ununterbrochenen Betrachtung der persönlichen Liebe Gottes zu mir. Und diese Betrachtung der unglaublichen Liebe Gottes zu mir lässt in mir die Sehnsucht entstehen, diese Liebe zu erwidern. Hier geht es nicht um eine Pflicht, um etwas, das ich machen muss, es ist eine Sehnsucht, die mein ganzes Wesen durchdringt. Das ist- ein neuer Lebensweg. Solche Liebe, solcher Dienst überlegt nie, was schon alles geleistet wurde. In solcher Liebe gilt, dass die linke Hand nicht weiss, was die rechte Hand tut. Solche Liebe kann ein uneigennütziger Knecht sein. Dies ist der innere Gehorsam.

Schauen wir auf das Bild aus der Gleichnis von zwei Söhnen und dem barmherzigen Vater. Wir wollen uns nicht den Details zuwenden, für mich ist der eine Moment wichtig- der Moment, als der verlorene Sohn nach Hause zurückgekommen ist. Es hat das ganze Dorf gesehen, und die Frauen haben davon gesprochen: "Er wird es hier nicht lange aushalten", und haben darüber nachgedacht, was mit ihm morgen, in einer Woche, in einem Jahr passiert. Zusammen mit ihnen können wir diese Geschichte fortschreiben.

Es sind zwei Varianten möglich. Die erste- der verlorene Sohn kam verhungert, verwundet, die ersten Monate hat er immer bis zu Mittag geschlafen, hat Kräfte gesammelt und nichts getan. Was sagt ihr, was wird mit ihm in einem Jahr? Ich denke, dass ihr euch mit den Frauen einig seid - es wird nichts aus ihm. In drei Jahren widerspricht er wieder dem Vater, es wird ihm alles zur Last und würde wieder die Hälfte des Vermögens verlangen. Und es hat keine Rettung stattgefunden.

Es ist aber auch eine zweite Variante möglich. Der verlorene Sohn kam nach Hause, hat seine Tat bereut, beweint und das ganze Dorf hat es gesehen. Die nächsten 6 Monate steht er morgens um fünf auf, gießt den Weinberg, arbeitet auf dem Feld. Lebt bescheiden und erzählt ständig, wie dumm er war und wie gütig sein Vater ist. Und warnt das ganze Dorf, nicht so zu handeln, wie er gehandelt hatte. Was passiert mit diesem Sohn weiter? Ich denke, die Frauen vom Dorf würden sagen: "Er hat sich in der Tat bekehrt. Unglaublich!" Und die nächsten drei Jahre lebt er weiter so. Die Menschen sehen, dass er seine Lehre daraus gezogen hat. Er hat sich geändert. Im Dorf würde man sich fragen: "Seht, was ist in dem Herzen dieses jungen Mannes? Seht ihr nicht, dass es Freude ist? Warum ist er so fröhlich?" Er ist fröhlich, weil er daran denkt, wie ihm der Vater vergeben hat, wie sehr er geliebt wird. Er sieht immer die Güte, die ihn umgibt. Er ist auch für das Bett dankbar, auf dem er liegt, sowie für das Dach über dem Kopf, für das Essen, aber vor allem für die Vergebung.

In dieser Gleichnis zeigt uns Jesus ein Bild von zwei Söhnen. Aber es gibt auch einen dritten Sohn. Der dritte Sohn ist er selbst. Er ist der Sohn, der schon immer im Hause des Vaters gelebt hat und immer dankbar war. Er war nicht der Sohn, der im Hause des Vaters lebt und seine Liebe nicht sieht. Er war auch nicht der Sohn, der durch vieles gehen musste, um die Liebe des Vaters zu erkennen. Er ist Beispiel und Zeuge davon, dass es möglich ist, von der Kindheit an im Hause des Vaters zu sein, seine Liebe zu sehen und immer dafür dankbar zu sein. Dieser Sohn ist Jesus. Der Vater sagt zu dem älteren Sohn: "Alles was meins ist, ist Deins". Und das bedeutet: "Ich liebe Dich mit grenzenloser Liebe". Und nur der Anblick dieser Liebe erweckt die Liebe in uns. Das ist die Wahrheit, die wir nie vergessen dürfen.

Wir Priester befinden uns in einer Situation, in der wir mit Überzeugung sagen können: "Alles, was dem Vater gehört, ist meins". Und meine Aufgabe ist es, die Liebe zurückzugeben. Deshalb ist es meine Aufgabe, als Priester, jeden Tag die Zeit zu finden, Gottes Liebe zu betrachten. Alle meine Gebete, alle meine Meditationen, sollen mir dabei helfen. Es ist keine Pflicht, es ist eine Gelegenheit, jeden Tag anzuschauen, wie sehr ich vom Gott geliebt werde, wie er mir vergeben hat. Es ist nicht wichtig, mit welchem Sohn aus der genannten Gleichnis wir uns identifizieren. Wir dürfen nur nie vergessen, wie er uns vergeben hat. In dieser Vergebung geschieht ein Paradox- er ruft mich auch jetzt, ohne Rücksicht auf alles andere. Er vertraut mir den Platz an, der mir von aller Anfang an gehört.

Mein Leben, das ist das Dienen aus Liebe. Dienen bis zum Augenblick, wenn mein Willen sich mit seinem Willen vereint. Bis zum Augenblick, wenn mein Willen aufhört, zu existieren. Wenn mein Wille sich mit seinem Willen vereint, wie der Wille des Engels, dann ist es ein Zeichen des Friedens.

Der Priester ist derjenige, der dauernd die Liebe des Vaters empfängt. Jeden morgen betet er, um den Tag in Liebe zu leben und sie immer zu suchen. Wenn ich die Liebe nicht zurückgebe, wird sie in mir sterben. Deshalb suche ich: "Wo, Herr, kann ich Dir Deine Liebe zurückgeben? Wie kann ich sie Dir zurückgeben?" Das ist meine einzige Berufung in dieser Welt. Es ist nicht meine Aufgabe, die Welt zu retten. Ich muss nicht die Hungrigen satt machen. Ich muss nicht technische Lösungen erfinden. Ich muss keine politische Funktion haben. Ich muss kein siegendes Heer führen. Ich muss keine Nachkommen hinterlassen. Niemand sonst hat das Privileg, das ich als Priester habe, denn ich habe nur eine Aufgabe, die Berufung zur Liebe: Das ganze Leben weihe ich der Suche nach Gelegenheiten, die Liebe zurückzugeben.

Meine wichtigste Aufgabe ist es, immer zu dieser Liebe zurückzukommen. Dazu habe ich mein Gebet, meine Pflichten, meine Einsamkeit. Plätze und Gelegenheiten für diesen Dienst sind überall um uns herum. Wie die Sterne am Himmel, am Tag sind sie nicht sichtbar, am Abend jedoch ist der Himmel voll davon! So auch die Möglichkeiten, die Liebe zurückzugeben, können äusserlich unsichtbar sein, im geistlichen Licht jedoch werden sie sichtbar. Genau das haben die Heiligen getan. Das ist kein starker, übermenschlicher Wille, keine übermenschliche Kenntnis oder besondere Technik, es ist nur eine tiefgründige Erinnerung an Gottes Liebe. Die Erkenntnis, dass ich die Liebe Gottes nie vergessen darf.

Meditationen: Pater Ivan Mandurič, SJ 20. Internationales Seminar für Priester in Medjugorje, 2015